Ducati
inszeniert um die neue Scrambler eine neuartige, aber überflüssige
Marketingkampagne. Sie ist missverständlich, weil dieses Motorrad
für sich selbst sprechen könnte.
Ducati Marketingwelt |
Als
die Caferacer kamen, das war ziemlich genau vor vor fünf Jahren im
August, hatte es davor schon eine entscheidende Entwicklung gegeben,
die eigentlich viel zukunftsweisender gewesen war.
Es
hatten sich schon davor Menschen in Garagen gesetzt, meistens Bier
dabei getrunken, um aus alten Motorrädern neue zu machen. Sie nahmen
alte, weil die Designer und Entwickler von neuen Motorräder sich
verrannt hatten (außer vielleicht Herr Massimo Tamburini). Dann ist
aber etwas passiert, was nicht vorhersehbar war und ohne das es die
Ducati Scrambler heute so wohl nicht geben würde. Und dann ist noch
was passiert, und das führte zum größten Missverständnis der
jüngeren Geschichte des Motorrads: falsche Bärte.
schlimm: Bärte sogar beim Skifahren. |
Die,
mit denen alles begann, waren meines Erachtens, die Wrenchmonkees.
Sie waren die radikalsten, die innovativsten, die
grenzendurchbrechensten Schrauber dieser Zeit. Sie verstanden es,
altes Material cool zu machen. Sie schufen nicht nur Schrauberkisten,
sie machten neues Design aus Geschichte. Sie nahmen einen Honda CB
Four-Motor und setzten ihn in Szene, wie es noch niemand zuvor
gemacht, und damit auch niemand zuvor gesehen hatte. Weder die alten
Haudegen, noch die jungen Motorradleute. Heraus kam mein absolutes
Meilenstein-Motorrad, die MONKEE
#11, die Gorilla Punch.
Die
Jungen Mopedfahrer fühlten sich zu diesem Zeitpunkt einer falschen
Gruppe angehörig. Es gab nur noch ein paar davon. Schon Jahre zuvor
hatte das Aussterben eingesetzt. Das Motorrad war schon lange nicht
mehr interessant, die Szene schien nach dem Chopperboom um die Virago
zu sterben. Die Supersportler hielten in dieser Zeit das Interesse
noch wach, weil da technisch so dermaßen die Dinge nach vorne
getrieben wurden, und in einem Tempo, wie man es sich noch einen Tag
vor einer Neuentwicklung nicht vorstellen konnte. Und in dieser Zeit
gab es dann Gott sei dank Menschen, die wussten wie diese Zeit in
Worte zu fassen sein musste. Da war der Johnny Riegsinger, der aus
dem Archivkeller vom Motorrad Magazin MO empor gekrochen war um
wortgewaltig, wie es damals keiner tat, leidenschaftlich über
Motorräder zu schreiben. Er erwürgte die Spießigkeit der
Testerschreibe, die bis heute immer noch nachhallt und deren Erbe den
Papier-Moped-Magazinen am Bein klebt wie Scheiße. Da war Thomas
Kuttruf, der, wie kein anderer Motorradfahren konnte und darüber in
einer Leidenschaft berichtete, dass man sich selbst im Cockpit auf
der GSX 1000 R wähnte, die gerade 300 im Digitacho anzeigte. Und es
gab den Rolf Henniges, der sich gerade wieder neu erfindet. Und es
gibt den Typen wie Clemens Gleich, der dieses Erbe als einziger unter
den Professionellen in dieser pulsierende Qualität weiter pflegt.
Wenn auch sehr verrückt, was schnell belegt ist durch einen kleinen
Youtupe-Google.
Das Motorrad war eigentlich tot. Die Firmen wussten nicht mehr was bauen nach Hayabusa, außer der GS.
Und das war recht und billig, aber öde. Die Wrenchmonkees haben uns gerettet. Doch statt aus dem alten Material wirklich etwas Neues entstehen zu lassen, hat sich die Szene entschieden nur Cafe Racer zu bauen. Eine Milliarden Gorilla Punch-Kopien sind ab da bis heute entstanden.
Aus
der Sicht von damals betrachtet, war das für uns alle etwas, was die
Generation der Ende 70er geborenen, niemals mitbekommen hatte. Und
eigentlich war es das, wonach wir uns sehnten. Pures Motorradfahren.
Unsere Sehnsüchte bildeten sich, als Ninjas noch Staubsaugerrohre
auf dem Tank hatten und keine Traktionskontrollen und dann standen
sie da: In meinem Fall Robert und Mark mit ihren komischen Kawasaki W
und laberten irgendwas von Hotrod und zogen ihre Kämme aus der
Tasche, um sich die Haar nach hinten zu kämmen. Verrückt. Ich
kannte keinen Motorradfahrer mit Kamm in der Tasche.
Aber
so war das damals, die alte Garde nahm statt Kopfwehtabletten um
überhaupt nach einer Saufnacht aufs Motorrad zu kommen,
Joggingschuhe mit auf den Motorradtripp, und die neue Garde nannte
sich Surfazz, grundlos, hatte 48 PS-Motorräder, ohne Not, und sie
hatten wieder Paracetamol dabei und für die war das
selbstverständlich und ok, genauso wie die Sache mit dem Kamm. (Ich
hab zwar immer noch keinen Kamm, bin mit Rob und Mark aber engstens
befreundet.)
Wir
haben dann den Surfazz-Cafe-Racer-Sprint am Glemseck 101 gemacht,
irgendwie bis heute noch.
Die
Dinge wurden auf den Kopf gestellt. Der Style war rau, neu, aber in
Erinnerung an das, was das Cafe-Racen in England in der Zeit der
Rocker und Rollerfaher ausmachte, nur dass unserer Rollerfahrer
GS-Fahrer waren, mit denen man sich zwar nicht prügelte, aber über
die man nur den Kopf schütteln konnte. Warnwestenfahrer hat man sie
genannt. Heute gibt’s Flanellhemden mit Kevlar drin... wir nähren
uns der Scrambler.
Im
Moment, habe ich das Gefühl, ist sich jeder unsicher in seinem
Style. Die Hipster haben sich unverfroren an jenem Lebensstil
bedient, der unserer ist, dem der Motorradfahrer. Sie dachte: „Mahh,
ich habe einen Bart, die auch, muss ich auch Motorradfahren.“ Pech
für uns, aber vor allem Pech für sie, ich glaube, viele von denen
sind dumm gestürzt.
Wären
die Leute nicht so auf dieses Cafe-Raceing abgefahren, ich glaube die
Motorradwelt hätte es heute schwerer. Vor allem die Industrie. Das
Cafe-Racing hat den Blick geöffnet darauf, um was es geht. Nicht um
Sicherheit, meistens nicht um Sekunden, es geht um fahren halt. Heute
klingt es normal, damals wer man ´ne Pussy gewesen. Es geht um
Fahren. Egal ob Enduro oder Gold Wing oder Virago oder Triumph Speed
Tripple. Es geht nicht darum, dass eine Buell beim Beschleunigen
gegen einen Speedtripple verkakte, damals, als Buells noch
luftgekühlt waren.
Auf der anderen Seite ging vielen dieser CR-Trend auf den Sack. Und zwar gewaltig. Sie wollten ihr gewohntes höher und schneller zurück und keine Menschen mit Bärten und bunten Gasgriffen sehen. Mit ein paar Mädchen auf Motorrädern konnte man sie ablenken, zum Beispiel mit Ben Parts Moto Guzzi und den Davida-Werbung-Tussis. Katrin hieß die Süßeste.
Jetzt
eben, vor ein paar Wochen, wurde die Ducati Scrambler präsentiert
und jetzt ist alles durcheinander, dabei ist genau sie das ordnende
Element in diesem Kuddelmuddel. Aber nur Wenige verstehen es.
Ducati
hat eines erkannt, besser als andere. Sie haben sich die Trends
angeschaut, bemerkt, dass Flat Tracker und Scrambler im Rausch der
Cafe Racer als Zweitdroge genutzt werden und haben sich in der
eigenen Historie bedient. 50 Jahre ist es her, dass aus Bologna eine
Scrambler kam. Ein sehr junges und sehr italienisches Team durfte
diese Wiedergeburt inszenieren. Und schnell geisterte, zunächst noch
leise, dann unerträglich laut, das Geschwätz vom Hipstermotorrad
durch die Zeilen. Jeder der das Motorrad gut fand, wurde von dieser
kalifornienverseuchten Presse diskreditiert. Widerlich. Sie hatten
sich selbst ein Beinchen gestellt.
Sie
haben sich allesamt einfangen lassen von dem kleinen Marketingteam,
das um die Scrambler ein, in ihren Augen, eben zeitgemäßes
Marketing aufgebaut hatte. Die Kommentatoren haben sich mokiert
darüber, wie viel einfache Wechselteile da so im Angebot gäbe
(Tankblenden, und Modeassescoires) und doch eh keiner schrauben
könne, der sich so ein Hipster-Motorrad kaufe. Zugegeben, die
meisten mussten zugeben, dass dieses Motorrad einen großen Charme
auf sie auswirkte, da bei der Präsentation in Kalifornien, obwohl es
geregnet hatte und sie sich in Gelbe Säcke kleiden mussten.
Aber
im ganzen Trubel des Marketingwahns auf allen Seiten war da still und
heimlich etwas ganz Zartes und Jungfräuliches passiert. Jemand hatte
den Resetknopf gedrückt und keiner hat´s gemerkt.
Eine Aura der Stille, die eines Anfangs war da entstanden. Wie damals, als die Kindliche Kaiserin einen Sandkorn in ihrer Hand hielt. Die Generation Baltasar Bux hat die Chance alles abzustreifen und dieses Sandkorn als das anzunehmen, was es schon immer ist, mit der Form eines Sandkorns, welche schon immer eine Form eines Sandkorn ist und die sich nicht ändert.
Bis
auf dass es einen Zylinder mehr hat heute, dieses neu Motorrad, sehen
ich keinen großen Unterschied zu der Urfom; zu dem Samen. Zu der
Scrambler, die schon vor 50 Jahren dazu gedacht war ein bisschen zu
fahren, mit hohem Lenker, ein bisschen durch den Dreck ihrer Zeit.
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pics::ducati, benpart, suzuki, gw, wrenchm.
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